Advent gilt als Zeit des Lichts – und doch verdunkeln Kriege, Armut und globale Spannungen das Weltgeschehen. Wie gehen Seelsorgende im Kirchenkreis Cuxhaven-Hadeln mit diesem Spannungsfeld um? Welche Worte des Trostes, welche Hoffnungsbilder tragen sie durch diese Wochen? Wir haben diese und andere Fragen gestellt – und viele persönliche, bewegende Antworten erhalten.
Martina Wüstefeld, Pastorin in der Christus-Kirchengemeinde Warstade
"Gott ist kein Wunscherfüllungsautomat – und doch steht er uns bei, selbst wenn die Antworten fehlen und Tränen ihren Platz haben." Pastorin Martina Wüstefeld berichtet, dass weltweite Krisen unmittelbar in ihre Fürbitten einfließen – sei es bei Anschlägen, Kriegen oder der Situation von Missbrauchsopfern. Nach Ausbruch des Ukraine-Krieges rief die Gemeinde zu täglichen Friedensgebeten auf, die inzwischen monatlich fortgeführt werden.
Botschaft der Menschwerdung gibt Kraft
Hilflosigkeit kennt die Pastorin gut – „nicht nur in globalen Krisen, sondern auch bei persönlichen Notlagen der Gemeindeglieder“. Kraft schöpft sie aus der Botschaft der Menschwerdung: „Gott ist nicht fern, sondern an der Seite der Menschen – in Freude wie in Schmerz.“
"Hoffnung wird immer wieder neu geboren"
Gemeindliche Projekte wie der Bürgermarkt in Hemmoor stimmen Wüstefeld hoffnungsfroh: Sie verbinden Begegnung, Nachhaltigkeit und soziale Unterstützung. Perspektivisch soll ein offenes Café im neuen Gemeindehaus entstehen – ein Ort für Wärme, Gemeinschaft und kleine Auszeiten. Frühere diakonische Aktionen, bei denen Bedürftige zu Weihnachten unterstützt wurden, könnten im nächsten Jahr wieder aufgenommen werden. "Jedes Jahr erinnern wir uns daran: Hoffnung wird immer wieder neu geboren."
Detlef Kipf, Pastor in der Kirchengemeinde St. Gertrud in Döse
"In der Krise zeigt sich, was trägt – und was nicht. Advent ist für mich die Zeit, sich den Herausforderungen zu stellen und auf den zu schauen, der uns Zukunft schenkt." Pastor Detlef Kipf macht bewusst kurze, klare Aussagen: "Gerade weil die Welt weiterhin auf Gewalt, Macht und Gier setzt, darf die Rede von einem Gott, der sich den Menschen zuwendet und ihnen eine andere Möglichkeit zu leben schenkt, nicht verstummen. "
"Es geht nicht um Überforderung, sondern um Orientierung"
Der Pastor aus St. Gertrud in Döse weiter: "Jede Krise offenbart, wie sehr wir eines Gottes bedürfen, der sich uns zuwendet, versöhnt und Hoffnung gibt." Praktisch wird das für Kipf im konsequenten Engagement: So sammele die Gemeinde in der Adventszeit konsequent für die Aktion „Brot für die Welt“. Dabei geht es nicht um Überforderung, "sondern um Orientierung: sich stärken und ausrichten lassen an dem, der zu uns Menschenkindern gekommen ist – unser Gott".
Johannes Drechsler, Diakon in Basbeck, Osten und Warstade
"Hoffnung ist kein Widerspruch zum Leid. Gottes Licht kann selbst im Chaos neu aufscheinen – und uns zu Lichtträgern machen." Für Diakon Johannes Drechsler sind Krisen kein Hintergrundrauschen, sondern vielmehr die Realität des Glaubens. "Menschen suchen Hoffnung, die ehrlich ist: Licht, das das Dunkel sieht", sagt er.
Christus als Kraftquelle für den nächsten Schritt
Die Botschaft vermittelt er durch Ehrlichkeit: „Ich kenne Hilflosigkeit – doch gerade dort erlebe ich Christus als Kraftquelle für den nächsten Schritt.“ Projekte wie kleine Begegnungen, Hilfeaktionen oder offene Räume zeigen „lebendige Spuren von Gottes Liebe“. Rituale und Engagement verbinden sich bei ihm: Gemeinsames Beten, praktische Hilfe und Gottesdienste machen Gottes Kommen spürbar. Johannes Drechsler: "Wer Gottes Licht weiterträgt, kann selbst in schwierigen Zeiten ein Leuchtfeuer sein."
Manuela Heise, Pastorin in der Johanneskirche Cuxhaven-Sahlenburg
"Gott möchte mitten in dieser Welt Wohnung nehmen – mitten im Alltag, im Chaos, im Leid – und Orte für Frieden, Menschlichkeit und Hoffnung schaffen. Wir müssen ihm nur die Tür öffnen."
Pastorin Manuela Heise bindet globale Krisen regelmäßig in Predigten und Fürbitten ein. Sichtbare Zeichen wie Banner am Glockenturm in Sahlenburg oder Friedensaktionen am Jahrestag des Ukraine-Krieges erinnern öffentlich an die Verantwortung zum Frieden.
"Die großen Themen in kleine Münze umtauschen"
Um die Advents- und Weihnachtsbotschaft trotz belastender Krisen zu vermitteln, versucht Manuela Heise, „die großen Themen in kleine Münze umzutauschen“: kleine Schritte, die die Welt menschlicher, freundlicher und gerechter machen. Dabei hilft ihr das Bild einer Kathedrale: Ein Großprojekt, das sich über Generationen erstreckt, erfordert Geduld und kontinuierliche Arbeit – jeder kleine Schritt zählt.
Soziales Engagement hilft und fördert den Zusammenhalt
Projekte und Engagement in der Gemeinde stärken Hoffnung und Mitgefühl: In Sahlenburg finanziert die Gemeinde Kindergartenplätze in Ambo (Äthiopien), in Altenwalde liegt der Fokus auf diakonischem Engagement, etwa für Geflüchtete, Sozialkaufhaus oder Mittagstreffs. Zwischen dem Ersten Advent und dem Altjahresabend werden alle Kollekten für „Brot für die Welt“ gesammelt.
Rituale verbinden Advent und soziales Engagement: In Altenwalde organisiert das Offene Herz die Aktion „Weihnachten für alle Kinder“, bei der Wunschzettel von Kindern aus einkommensschwachen Familien umgesetzt werden. In Sahlenburg startet die Adventszeit mit dem Anleuchten des Tannenbaums und dem „Lebendigen Adventskalender“, der Begegnung und Zusammenhalt im Ort fördert.
"Menschen in Predigten und Seelsorge abholen"
Für Manuela Heise ist klar: Hoffnung und Frieden lassen sich nicht in einer leidfreien Welt finden. Vielmehr geht es darum, Menschen in Predigten und Seelsorge so abzuholen, dass sie „mit erhobenem Herzen“ nach Hause gehen – getragen von der Gewissheit, dass Gottes Licht auch im Dunkeln leuchtet.
Andreas Schoener, Referent für Öffentlichkeitsarbeit beim Kirchenkreis Cuxhaven-Hadeln