„Abgekupfert“ begeistert mit barocken Klangjuwelen aus Italien

Nachricht Osten, 05. November 2025

Ein musikalischer Nachmittag voller Glanzlichter des Frühbarock in Osten: Unter dem augenzwinkernden Titel „Abgekupfert“ luden Tobias Tietze (Laute und Theorbe) und Jeroen Finke (Bariton) im Rahmen der Konzertreihe Musik und Orgelwochen zu einer klangvollen Reise in das 17. Jahrhundert ein – eine Zeit, in der Musik und Poesie in ganz Europa in lebendigem Austausch standen.
Bereits die Eröffnung mit Giovanni Rovettas „Gaudete Omnes“ ließ erahnen, mit welcher Hingabe die beiden Musiker die feinen Nuancen dieser Epoche zum Leben erwecken. Zwischen italienischer Eleganz und deutscher Gelehrsamkeit spannte sich ein faszinierender Bogen, der die Zuhörenden unmittelbar in die Klangwelt von Renaissance und Frühbarock entführte.

Von Italien nach Deutschland – und wieder zurück

Das Programm, reich an Perlen aus beiden Kulturkreisen, zeigte eindrucksvoll, wie eng verflochten die musikalischen Landschaften Europas schon im 17. Jahrhundert waren. Stücke wie Giulio Caccinis berühmtes „Amarilli mia bella“ erklangen neben den kunstvoll verzierten Liedern des Heinrich-Schütz-Schülers Johann Nauwach – Zeugnisse jener Zeit, in der Komponisten, Dichter und Musiker über Grenzen hinweg voneinander lernten, adaptierten und inspiriert wurden.

Reizvolles Wechselspiel zwischen Original und Bearbeitung

Dichter wie Johann Rist, Paul Fleming oder Philipp von Zesen lieferten dazu deutsche Texte, die das italienische Lebensgefühl in die Sprache des Nordens übersetzten. So entstand ein reizvolles Wechselspiel zwischen Original und Bearbeitung, zwischen mediterraner Anmut und norddeutscher Empfindsamkeit.

Was heute ironisch klingt, war damals Ausdruck höchster Wertschätzung: Das „Abkupfern“ – also das kreative Übertragen musikalischer Vorlagen – galt im 17. Jahrhundert als legitime Form künstlerischer Auseinandersetzung. Tietze und Finke griffen diese Idee mit feinem Witz und großem musikalischem Verständnis auf.

Elegant und zurückhaltend

Tobias Tietze, Mitglied der Ensembles I Zefrelli und La Protezione della Musica, ließ auf Laute und Theorbe die Saiten warm und klangreich singen – elegant, präzise und mit jener feinen Balance zwischen Virtuosität und Zurückhaltung, die barocker Musik ihre Tiefe verleiht.
Jeroen Finke überzeugte mit klarem, ausdrucksstarkem Bariton, der zwischen inniger Liebeslyrik und heiterer Tanzrhythmik mühelos wechselte. Seine Stimme verband barocke Zierde mit berührender Schlichtheit – immer getragen von einer spürbaren Freude an der musikalischen Erzählung.

Ein Nachmittag voller Klangpoesie

Zwischen den einzelnen Werken führten die Musiker kenntnisreich und humorvoll in die Hintergründe ein, erläuterten Bezüge und literarische Anspielungen – ganz im Sinne des Konzertmottos „Abgekupfert“. So entstand ein lebendiger Dialog zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen Geschichte und Gegenwärtigkeit der Musik.
Das Publikum dankte mit langem Applaus für eine Stunde voll musikalischer Entdeckungen – eine Hommage an die Zeit, als das Kopieren noch Kunst war.

Johannes Drechsler, Diakon