Das Wirken von Kai Rudl – ein Nachhall, der noch lange klingen wird

Nachricht Otterndorf, 29. September 2025

Den Applaus muss er aushalten. Die Menschen in St. Severi haben sich von ihren Bänken erhoben und klatschen. Lange. Kai Rudl wirkt sichtlich verlegen, derart im Mittelpunkt zu stehen. Immer wieder verbeugt er sich, lächelt dankbar und gerührt in alle Richtungen. Es ist sein Moment. Als Kreiskantor des Kirchenkreises Cuxhaven-Hadeln hat er viele Spuren hinterlassen. Und mit seiner Verabschiedung in den Ruhestand geht etwas Einmaliges zu Ende.

Ein Gottesdienst ganz nach Kai Rudls Geschmack

Der Gottesdienst in der Otterndorfer Kirche entspricht genau Kai Rudls Geschmack: Die Musik gibt den Ton an. Seine Choralbearbeitung zu „Geh aus, mein Herz“ mit Posaunenchor und Gästen aus anderen Kirchengemeinden, seine viersätzige Motette „Die Verklärung Christi“ mit Kirchenchor und „Ensemble Vocale“, die Wunschlieder des Elternchores und die Stücke des Gospelchores „Spiritual Voices“ verzaubern nicht nur die Festgemeinde – auch der 66-Jährige genießt das, was unter seiner fundierten Regie an diesem späten Septembernachmittag abermals das Gotteshaus erfüllt.

Superintendentin Kerstin Tiemann findet in ihrer Ansprache vor der offiziellen Entpflichtung wohlmeinende Worte, die Rudls musikalisches Wirken präzise würdigen: „Mit Ihnen verabschieden wir nicht nur unseren Kreiskantor, sondern eine ganze Epoche musikalischer Leidenschaft, Professionalität und Herzenswärme.“ Seine Musik habe weit über den Kirchenkreis hinaus Menschen berührt, betont sie, und spricht davon, dass Musik Türen öffne und uns spüren lasse, „dass über allem unser Glaube klingt wie eine große Melodie – so, als ob die Engel schon mitsingen“. Auch Rudls menschliche Seite bleibt nicht unerwähnt: „Sie haben uns mit Ihrem Leuchten, mit Ihrer Musik, mit Ihrer Freude an Gott und an den Menschen erhellt. Dafür sagen wir Ihnen heute von Herzen ,Danke'.“

Auch im Ruhestand wird er hilfreich zur Seite stehen

Glücklicherweise, so Tiemann weiter, werde Rudl der Kirche auch künftig verbunden bleiben: Das „Rud(l)-Singen“ wird weitergeführt, er wird Vertretungsdienste an der Orgel übernehmen, den Posaunenchor Otterndorf leiten, das "Ensemble Vocale" in Cadenberge fortführen und den Gospelchor begleiten. „Sie werden immer da sein, wenn es darum geht, etwas festlich und kompetent mitzugestalten“, freut sich die Superintendentin.

Wenn Worte und Töne sich zu Harmonie verbinden, dann zeigt sich darin die Kraft von Musik – und genau hier entfaltet Kai Rudl sein Geschenk. Pastorin Franziska May beschreibt in ihrer Ansprache, dass Musik mehr ist als Kunst – sie ist Ausdruck göttlicher Ordnung und Harmonie.
Historisch zu den „sieben freien Künsten“ gehörend, spiegele sie mit Proportionen und Klangverhältnissen die Weltordnung wider. Bilder wie das „monochordum mundanum“ – ein einfaches, einstimmiges Instrument, das die Harmonie des Universums symbolisiert – oder die „Weltenorgel“ verdeutlichten, wie Gott die Welt nach harmonischen Prinzipien erschaffen habe und wie Musik diese Harmonie erfahrbar mache, sagt die Pastorin.

"Mit seinen Klängen öffnet er Türen zu Gottes Harmonie"

In diesem Licht werde deutlich, wie Rudl die Gemeinde berühre: Mit seinen Klängen öffne er Türen zu Gottes Harmonie, erhebe die Herzen und lasse das Göttliche spürbar werden. "Geistliche Musik wird so zur Verkündigung, die das gesprochene Wort ergänzt", sagt Franziska May. Und Rudl habe dies stets mit Bescheidenheit getan, ohne sich selbst in den Vordergrund zu stellen, sondern mit Freude, Hingabe und meisterlicher Kompetenz. "Seine Musik verbindet Menschen, inspiriert und lässt Gottes Schöpfung in jedem Ton lebendig werden." Dafür gebühre ihm von Herzen Dank.

Nach dem feierlichen Gottesdienst strömt die Besucherschar ins Gemeindehaus. Dort warten nicht nur weitere Geschenke, ein erlesenes Büfett und zahlreiche Grußworte, sondern auch ein süßer Auftakt: eine Marzipantorte – Kai Rudls Lieblingskuchen – in Auftrag gegeben von den Kirchenvorständen von Otterndorf, Osterbruch und Neuenkirchen. Wie ein wohlschmeckender Gruß fügt sich das Backwerk ins große Fest der Dankbarkeit ein. Zahlreiche Menschen, die Kai Rudl durch seine Musik berührt hat, können noch einmal gemeinsam mit ihm feiern. In diesem harmonischen Abschluss zeigt sich einmal mehr, dass sein Wirken weit über die Kirchenbänke hinausstrahlt – wie eine Melodie, die noch lange in den Herzen nachklingen wird.

Andreas Schoener, Referent für Öffentlichkeitsarbeit im Kirchenkreis Cuxhaven-Hadeln