Gottesdienst verstehen - eine Serie, die Wissenswertes auf den Punkt bringt

"Gottesdienst? Das ist doch diese merkwürdige Veranstaltung, bei der einige wenige, überwiegend ältere Menschen möglichst weit hinten in einer Kirche Platz nehmen, um gemeinsam Texte zu murmeln und Lieder (nicht) zu singen, die völlig aus der Zeit gefallen sind."
Mit dieser zugespitzten Betrachtung von Axel Scholz - Pastor in den Kirchengemeinden Otterndorf, Osterbruch und Neuenkirchen - beginnt eine neue Serie auf der Homepage unseres Kirchenkreises. In regelmäßigen Abständen wollen wir an dieser Stelle erklären, was es denn mit den Dingen auf sich hat, die da regelmäßig an Samstagen und Sonntagen in unseren Kirchen von Cuxhaven bis Hechthausen geschehen. Viel Spaß beim Lesen.

"Zwar sind im Unterschied zum bundesweiten Durchschnitt in unserer Region noch viele Menschen Mitglieder der Evangelisch-lutherischen oder der römisch-katholischen Kirche", schreibt Axel Scholz, "doch heißt das deswegen nicht auch gleich, dass die Kirchen zu den Gottesdiensten aus allen Nähten platzen. Für viele scheint zu gelten: Ich bin Kirchenmitglied - und das muss reichen. In den Gottesdienst gehe ich nur am Heiligen Abend und das weniger aus Leidenschaft, denn aus Gewohnheit."

"Nicht nur jungen Menschen, die nach der Konfirmation ihrer Gemeinde oftmals den Rücken kehren, bleibt der Gottesdienst trotz des Konfirmandenunterrichts ein fremdes Geschehen. Auch viele Erwachsene, die mit einer gewissen Regelmäßigkeit den Gottesdienst besuchen, scheinen oft gar nicht zu verstehen, warum in einem Gottesdienst etwas genau so geschieht und nicht anders.
Die Liturgie, also die Ordnung des Gottesdienstes, wird eingeübt und auswendig gelernt - aber deswegen nicht unbedingt verstanden", meint Axel Scholz. So sei  der Gottesdienst für viele gerade auf Grund dieser Unsicherheit nicht der Wohlfühlraum, der er eigentlich sein sollte, sondern ein risikobehaftetes Geschehen, bei dem man sich schnell blamieren kann. 

"Und wenn jemand mitbekommt, dass ich kein Gold in der Kehle habe?"

Bevor ich also im falschen Moment Amen sage, als einziger aufstehe, während die anderen sitzen bleiben und jemand beim Singen mitbekommt, dass ich kein Gold in der Kehle habe, sage ich lieber nichts, bleibe durchgehend sitzen und singe nicht mit. Das ist sicherer", formuliert Scholz zuspitzend, was der eine oder andere empfinden mag.

"Gewiss, das ist sicher, aber leider eben auch todsicher, was die Lebendigkeit des gottesdienstlichen Geschehens anbelangt.
Dem lässt sich aus meiner Sicht gut mit Information begegnen. Liturgie ist ein rituelles Geschehen, bei dem Worte, Gesten und die Gestaltung des Raumes zeichenhafter Ausdruck des christlichen Glaubens sind. Gottesdienst ist also – ganz im positiv verstandenen Sinne des Wortes – inszenierter Glaube.
So, wie Worte einer fremden Sprache nun aber auch ohne Wissen um ihre Bedeutung lautmalerisch nachgesprochen werden können, kann auch die Zeichensprache des Gottesdienstes eine sein, die nachgesprochen wird, ohne verstanden zu werden. Dann allerdings wäre sie leer und damit obsolet.

"Keine Geheimwissenschaft, sondern wunderbares Aha-Erlebnis"

"Gottesdienst verstehen" ist keine Geheimwissenschaft, sondern ein wunderbares Aha-Erlebnis, das einem widerfährt, wenn man dem Wunsch nachgibt, diese Sprache zu erlernen, das heißt: den liturgischen Code zu entschlüsseln."

Axel Scholz, Pastor in Otterndorf, Osterbruch und Neuenkirchen

Weiterlesen: in der nächsten Folge geht es um "Bewegungs-Choreographie"